»Weißt Du, wer Hermes ist?« »Ich muß gestehn, im Augenblick -.« Die Eleganz der Sprache dieser fiktiven Autobiographie, ihre ironische Doppelbödigkeit erweisen ebenso wie Felix Krulls Handeln, daß er »der geschmeidige Gott der Diebe« ist. Ein Tausendsassa, der jeder neuen Situation, in die er gerät, in einem Maße gewachsen ist, als sei sie ihm durchaus nicht fremd: Er versteht es immer, das Beste für sich daraus zu machen. Also fälscht er die Unterschrift seines Vaters um der Entschuldigung eigentlich unbegründeten Fernbleibens von der Schule willen - simuliert er den soldatisch begeisterten Epileptiker, um desto sicherer befreit zu sein - nutzt er alle Wege, um seiner »Begabung zur Liebeslust« zu entsprechen (und dabei versteht er sich auf jegliches Alter und alle Gesellschaftsschichten)...
Die Lebensgeschichte des Felix Krull beginnt mit der Beschreibung der sorgenfreien
Kindheit im Rheinland, die von vorgetäuschten Krankheiten, kleineren Diebstählen,
frühen erotischen Erfahrungen und der Liebe zum Theater sowie der Schauspielerei
geprägt ist. Nach dem Bankrott der elterlichen Sektfirma und dem Selbstmord
des Vaters verbringt der Held eine mußevolle Zeit in Frankfurt, durchlebt
eine Liebesschule mit einer Prostituierten, wird dank seiner schauspielerischen
Fähigkeiten (vorgespielte Epilepsie) vom Militärdienst befreit, reist auf
Empfehlung eines Hausfreunds nach Frankreich, wobei er im Zug eine mitreisende
Fabrikantengattin bestiehlt (>>es war mehr ein Geschehen, denn ein Handeln<<).
Ihr dient er in Paris in einem Hotel, in dem er vom Liftboy zum Oberkellner
avanciert, als >>Liebesdieb<<. Dank seiner Wortgewandtheit und seines angenehmen
Äußeren genießt Krull die Rolle des begehrten Günstling der Frauen. Sein
Aufstieg setzt sich fort mit der anstelle eines reiseunwilligen jungen
Marquis angetretenen Weltreise, auf der er den Paläontologen Professor
Kuckuck kennen lernt, der Krull mit einer Alleinheitsphilosophie vertraut
macht und ihn in seine Familie einführt.