Bis zum allerletzten Tag ist sie gerne hingefahren, ins Gymnasium, um junge Menschen mit ihrer Liebe für die deutsche Sprache und Literatur anzustecken. Auch wenn ihr das nicht immer gelungen ist und sie der vielen Schulreformen langsam müde wurde.
Seit dem Ende ihres Berufslebens ist es ihr, als würde sie »in einem leeren, unbewohnten Raum stehen und in eine Landschaft ohne Konturen hinausschauen«. Einen Spiegel dieses inneren Raums findet die Erzählerin in ihrem Garten. Jeden Morgen beobachtet sie, wie sich der Tag langsam durch die graugrüne Wand aus Haselsträuchern, Schlehdorn und Hartriegel herantastet. Jeder Morgen ist anders und ruft andere Gedanken und Erinnerungen wach. Erinnerungen ans Elternhaus mit dem verwunschenen Park, an die ersten Semester an der Universität während der Jugendunruhen, an die Eltern, die sich in der Bewegung »Moralische Aufrüstung« engagierten, und an den früh verstorbenen Bruder, den Schriftsteller Hermann Burger.
In ihrem Haus ist es noch still - überhaupt ist es stiller geworden, nachdem die Kinder ausgezogen sind -, nur Apple, der Kater, streicht um ihre Beine und legt sein »flaumiges Katzengewicht« auf ihre Füße.
Kathrin Burgers Roman ist mit autobiografischen Elementen durchflochten. Sie erzählt präzise und poetisch. Sie blickt versöhnt auf das Entschwundene, mit Zuversicht auf das Kommende und immer wieder in ihren Garten, dessen stetige Verwandlungen sie in den feinsten Schattierungen nachzeichnet.
»Es ist nur so, dass sich mein altes Leben gerade aus dem Staub macht. Es schleicht sich einfach davon. Das Ansehen, das Aussehen, das Auftreten. Alles nicht mehr wichtig, nicht mehr gefragt. Die Vorsilben blättern ab wie alter Verputz. Was sehe ich, wenn ich nicht mehr aussehe? Wo trete ich hin, wenn ich nicht mehr auftrete?«
Nach dem Ende ihres Berufslebens hat die Erzählerin in Kathrin Burgers ebenso persönlichem wie poetischem Debüt die Stille der frühen Stunden für sich entdeckt. Jeden Tag beobachtet sie, wie sich das erste Licht in ihren Garten tastet und die Schatten daraus verschwinden. Jeder Morgen ist anders und ruft andere Gedanken und Erinnerungen wach, an die Kindheit, das Elternhaus, die Studienjahre, die Berufszeit. Sie lebt in einem Dazwischen.