Die Atlantis-Erzählung hat einen fiktiven Charakter. Und dennoch bietet der Stoff zahlreiche Informationen über reale Zustände und Begebenheiten der Vergangenheit, die als Erinnerungsmuster im kulturellen Gedächtnis der Griechen tradiert worden sind und in der Form von Mythen die Ideen und Vorstellungen in der Antike gestaltet haben. Platon präsentiert uns einen Querschnitt durch die mythisch verbrämten Erinnerungen an eine längst vergangene Zeit. Während es mühselig ist, die unkritischen Annäherungsversuche an Atlantis und die spekulativen Lokalisationsversuche zu verfolgen, trennt dieses Buch die mehr als ein Dutzend Theorien einer Verortung von Atlantis als die Spreu vom Weizen. In diesem Buch wird vielmehr eine interdisziplinäre Auswertung durchgeführt, die die Gebiete der Kulturgeschichte, der Zivilisationsforschung, der Archäologie, der historischen Sprachwissenschaft, der Textkritik, der Philosophie und der vulkanologisch-geologischen Wissenschaftssparten integriert und zum ersten Mal das Panorama des Themenkomplexes über Atlantis in seiner ganzen Spannbreite ausleuchtet. Ganz offensichtlich versteckt Platon in seinem Atlantis-Mythos eine moralische Botschaft. Diese wurde für die damaligen Menschen umso glaubhafter, weil sie in kulturelle Erinnerungen an eine zwar längst vergangene, aber für die Mittelmeerwelt der Bronzezeit »globale« Katastrophe, eine versunkene Welt eingearbeitet ist. Angesichts der unwiderlegbaren Tatsache der Katastrophe von Thera, dem heutigen Santorini, erscheint es abwegig, an eine andere Grundlage für Platons Mythos zu denken. Thera ist augenscheinlich der Deckel, der mit Abstand am besten auf den Topf Atlantis passt.