«Ich frage mich selbst oft, wer ich eigentlich bin.» - Dietrich Bonhoeffer, der Feind Hitlers, der Widerstandskämpfer, der spirituell Souveräne, der Märtyrer. Bonhoeffer ist viel, doch was geschieht mit ihm und seiner Theologie in Tegel, in der Extremsituation des letzten Lebensjahrs? Ralf Frisch wirft einen ungewohnten Blick auf diesen «evangelischen Heiligen»: Er liest «Widerstand und Ergebung» nicht als wegweisenden Aufbruch zu neuen theologischen Ufern, sondern als Ausdruck einer weitreichenden Versuchung, in die die sicher gefügte Theologie Bonhoeffers in der Haft geriet. Das Programm eines religionslosen Christentums, die Idee einer Kirche für andere, die Vision eines mündigen Lebens ohne Gott - reagierte Bonhoeffer damit bloss auf die Herausforderungen seiner Zeit? Oder legte er damit Hand an die Substanz des christlichen Glaubens?
Im Wechsel von theologischer Interpretation und Imagination erzählt Ralf Frisch Bonhoeffers theologische Entwicklung in seinem letzten Jahr als Versuchungsgeschichte. Dabei entdeckt er in dessen Briefen und Aufzeichnungen aus der Haft Ressourcen, aus denen sich Theologie und Kirche auch drei Generationen nach Bonhoeffers Tod regenerieren können. Und rettet so Bonhoeffers Spättheologie auf eine ebenso unerwartete wie schlüssige Weise.