Manchmal, wenn wir bei einem Pappbecher Punsch zusammensaßen, fragten wir uns: Was haben wohl jene Maler, die zu Sempers Zeiten die Gewölbe über uns bemalten, gedacht und gefühlt? Fragten auch: Was werden jene Maler, die in hundert Jahren die Deckengewölbe der Semperoper restaurieren ¿ hundert Jahre sollen unsere Malereien halten ¿, über uns wissen, die wir, 35 Jahre nach der Zerstörung, den Entwürfen Gottfried Sempers wieder Leben schenkten? Wir phantasierten, lachten, schauten einander an, wie wir da auf dem Bretterboden saßen, locker gruppiert um eine Schüssel Fett, einen Berg frischer Semmeln. Jeder von uns hatte einen Traum. Aber bedeutete das den nach uns Kommenden etwas? Wir wußten es nicht, wußten nur: Das hier von uns Geschaffene würde uns überleben.
Die Autorin arbeitete von 1980 bis 1983 als Malerin beim Wiederaufbau der Dresdner Semperoper mit. Ihre Erlebnisse und Erfahrungen hielt sie in einem Tagebuch fest, das 1989 unter dem Titel »Tagebuch für eine Oper« in gekürzter Form veröffentlicht wurde. Jetzt liegt eine neue ungekürzte Fassung des Originaltagebuches vor.