Das internationale wissenschaftliche Projekt SHG (Sources hagiographiques de la Gaule) hat sich zum Ziel gesetzt, die zahlreichen, aber oft nur schwer zugänglichen erzählenden Quellen der Hagiographie im frühmittelalterlichen Gallien für historische Fragestellungen aller Art nutzbar zu machen. Das bedeutet zunächst ihre Erfassung und Inventarisierung, wobei die verschiedenen Etappen und Versionen der Texte im Zusammenhang einzelner Heiligendossiers jeweils beschrieben, analysiert und datiert werden. Es wird dabei systematisch auf die zugrundeliegende Handschriftenüberlieferung zurückgegriffen, die ihrerseits beschrieben, lokalisiert und datiert wird. Diese spezifische Methode der Erschließung verbindet die Mehrzahl der englischen und französischen Beiträge des vorliegenden Bandes, in dem 52 hagiographische Texte von der Merowingerzeit bis zum 11. Jh. eine ausführliche Darstellung erfahren. Die 22 vorgelegten Heiligendossiers betreffen die gesamte Diözese Toul, die bedeutenden normannischen Klöster Jumièges und Saint-Wandrille (Fontenelles), sowie die Bretagne. Zwei weitere Beiträge illustrieren ebenfalls die Anwendung spezifisch hagiographischer Quellenkritik: Die nur in späten Handschriften belegten Viten der heiligen Sadalberga und ihrer Tochter Anstrudis, die beide als Hauptquellen für die pippinidisch-karolingische Expansion in zwei unterschiedlichen Perioden anzusehen sind, können aufgrund von Kriterien der Textkritik dem 7. und 8. Jh. zugewiesen werden, während im zweiten Beitrag die gleichen Texte zusammen mit späteren hagiographischen Quellen die Frühgeschichte des Klosters Gregoriental (Munster) im Elsaß beleuchten, wo der Kult Gregors des Großen durch angelsächsischen Einfluß schon im 7. Jh. zur Gründung eines Klosters mit dem Patrozinium des Kirchenvaters führte. - Die Autoren des von Martin Heinzelmann (DHIP) herausgegebenen und auch durch ein Heiligen- und Handschriftenregister erschlossenen Bandes sind Michèle Gaillard (Paris XIII), Monique Goullet (CNRS-Paris I), John Howe (Texas Tech University), Bruno Judic (Tours) und Joseph-Claude Poulin (Laval, Québec).